Die Entstehung der Hexenkulte

Erst 1951 wurde das englische Gesetz „Witchcraft Act“ abgeschafft, welches seit einigen hundert Jahren jede Betätigung als Hexe unter Todesstrafe gestellt hatte. Dies sorgte zusammen mit dem englischen Roman „High Magic’s Aid“ (engl.: Die Hilfe Hoher Magie) von Gerald Brosseau Gardner und dessen späterer Werke über den Hexenkult für ein erneutes reges Interesse am Hexentum. So gilt Gardner als Begründer der neuen (beziehungsweise neuentdeckten) Hexenreligion, die sich Wicca nennt.

Das Wort Wicca leitet sich vom altenglischen „wiccian“ (hexen) ab. „Wicca“ bedeutet „männliche Hexe“, „wicce“ dagegen „weibliche Hexe“, und die Pluralform lautet „wiccan“. Heute benutzt man den Begriff Wicca für alle drei Formen, und die Hexen übersetzen es als „weise“ unter Bezugnahme auf die „Weisen Frauen“ und „Weisen Männer“.

Das neudeutsche Wort „Hexe“, das erst im 18. Jahrhundert entstand und zum ersten Mal in Prozeßakten auftaucht, stammt dagegen vom althochdeutschen „hagzissa“ beziehungsweise „hagazussa“ ab und bedeutet so viel wie „die auf dem Zaun (zwischen den Welten) Sitzende/Reitende“. Hierin wird auch die schamanische Rolle der Hexe deutlich, die „zwischen den Welten“, der diesseitigen und der Anderswelt, lebt und zwischen ihnen zu vermitteln versteht. Im Mittelalter wurden Hexen von der Kirche als „Malefica“ (lat.: Böses Machende) oder „Venefica“ (lat.: Giftmischerin) bezeichnet.

Mit „Witchcraft Today“ (engl: Der Hexenkult heute), das Gardner 1954 veröffentlichte, ging er über die Andeutungen in seinem früheren Roman hinaus, und 1959 folgte „The Meaning of Witchcraft“ (engl: Die Bedeutung des Hexenkults). In den sechziger Jahren publizierten dann auch Schülerinnen Gardners wie Doreen Valiente und Patricia Crowther eigene Werke über den Kult, und mit Beginn der siebziger Jahre läßt sich von einer regelrechten Wicca-Welle sprechen, die von England ausging, um von dort auch auf Irland, Amerika und Australien überzuspringen, bis sie schließlich auch das europäische Festland erfaßte.

Die verschiedenen Strömungen in den Hexenkulten

Gardner hatte 1939 eine Hexengruppe im New Forest getroffen, die ihn aufnahm und einweihte. Auf diese Weise entdeckte er den Alten Kult für sich und trug durch seine Veröffentlichungen des dafür freigegebenen Materials dazu bei, die grundlegende Pionierarbeit Lelands und Murrays fortzusetzen und einer allgemeinen Öffentlichkeit den Hexenkult nahezubringen.

Es gibt zahlreiche verschiedene Richtungen innerhalb des Wicca. Die Gardnerians folgen der Tradition Gardners. Sie stellten lange Zeit die Hauptströmung innerhalb des bekannten Wicca-Kults dar. Die Alexandrians arbeiten in der Tradition des Engländers Alex Sanders, der Ende der sechziger bis Anfang der siebziger Jahre zusammen mit seiner damaligen Frau Maxine eine eigene Richtung mit zahlreichen Hexencoven begründete und sehr um Aufsehen in den Medien bemüht war.

Die Richtung des sogenannten Seax Wicca (altsächsisches Wicca) ist eine Neugründung durch Raymond Buckland, der sie 1974 mit seinem Buch „The Tree“ (engl.: Der Baum) vor allem in den USA populär machte, und der die Selbstinitiation propagiert. Es gibt noch eine Reihe weiterer Hexengruppen, die sich u.a. um verschiedene herausragende Persönlichkeiten wie Arnold und Patricia Crowther, Doreen Valiente (alle drei aus der Tradition Gardners kommend), Louis Martello (ein amerikanischer Wicca, der aus einer sizilianischen Hexenfamilie stammt) sowie Janet und Stewart Farrar (ursprünglich aus der Tradition der Alexandrians) und andere scharten.

Schließlich seien noch die sogenannten Hereditaries erwähnt. Das sind Hexen, die zu keiner der oben erwähnten Traditionen gehören, sondern vielmehr aus eigenen Hexen Familien stammen und deren Überlieferungen fortsetzen. Das englische Wort „hereditary“ bedeutet „überliefert, erblich“, man könnte also von „Hexenerben“ sprechen. Oft bezeichnen sich die Hereditaries auch als „traditional witches“ (engl.: traditionelle Hexen).

Wicca = Hexe?

Die Unterschiede zwischen den einzelnen Richtungen sind nicht sonderlich groß. Zur Gesamteinschätzung des Wicca-Kults ist allerdings zu sagen, daß viele Hexen der Meinung sind, Wicca sei der einzige echte Hexenkult im Sinne einer Nachfolge der Alten Religion, während andere dies ganz anders sehen. Heute sind noch lange nicht alle Hexen auch Wicca, und auch nicht jede Hexe betrachtet ihr Hexentum als Religion. Manche sehen es als Lebensphilosophie oder interessieren sich nur für den rein magischen Weg.

Die gewaltige Vielseitigkeit des Hexenkults zeigt sich auch in den unterschiedlichen Betonungen von Einzelaspekten innerhalb der Covens oder Richtungen. So gibt es thelemitische Hexen, die sich an Aleister Crowleys Gesetz von Thelema (griech.: Wille) orientieren, keltisch orientierte Hexen, die druidische Traditionen pflegen, kabbalistisch-hermetisch ausgerichtete Hexen, die sich verstärkt der alten abendländischen Geheimlehren bedienen, Chaos-Hexen, die sich der modernen Chaos-Magie zuwenden, zugleich aber die alte Naturreligion praktizieren und beides miteinander integrieren.