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Die Anderswelt

In der keltischen Überlieferung, vor allen Dingen in Irland, gibt es eine Unzahl von Märchen, Sagen und Mythen, die sich auf ein geheimnisvolles Land beziehen, das auf keiner Landkarte verzeichnet ist – die Anderswelt (engl.: „Otherworld“).

In der Tradition der Inselkelten wird von bestimmten Orten gesprochen, wie dem „Land der Ewigen Jugend“, dem „Land hinter den Wellen“, der „Insel der Seligen“ oder dem „Land der Frauen“.

Wie in diesen Namen oft anklingt, befindet es sich jenseits des Horizontes, in der Regel im Westen, also dort, wo die Sonne im Meer versinkt. Doch gibt es auch eine Anderswelt, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Menschen befindet, eine Welt, die neben der unsrigen existiert und für das Auge des alltäglichen Bewusstseins unsichtbar ist.

Die Anderswelt ist die Welt der Feen – und damit sind nicht nur die niedlichen, engelhaften Figuren mit Schmetterlingsflügeln gemeint, sondern ein buntes Volk aus teils recht grotesken Gestalten, unheimlich, schattengleich, fürchterlich, aber auch gütig, milde und von atemberaubender Schönheit. Sie können winzig klein oder auch riesengross sein.

Die Anderswelt ist nicht getrennt von der Welt der Menschen. Es ist nur so, dass wir sie normalerweise nicht sehen können. Allerdings stolpern wir gewissermassen immer wieder über ihre Ausläufer. Und es gibt Orte, an denen die Barriere zwischen unserer Welt und der Anderswelt durchlässiger ist.

So wird immer wieder davon berichtet, dass Sterbliche in die Anderswelt gelangten, indem sie durch die Tore schritten, die sich zu bestimmten Zeiten in den sogenannten Sidhe, den Feenhügeln, die oft mit Grabhügeln aus vorkeltischer Zeit gleichgesetzt werden, öffneten. Doch anders als in den Jenseitsvorstellungen anderer Kulturen ist diese Anderswelt keine Welt ohne Wiederkehr. Man kann sie als Gast besuchen, entweder weil man „zufällig“ den Eingang findet oder weil man sogar von den Bewohnern eingeladen wird. Es ist auch kein Ort der Bestrafung, wie die Unterwelt der Antike oder das finstere Reich der Hel bei den Germanen. Vielmehr ist es eine Welt, in der ganz andere Gesetze von Raum und Zeit herrschen. So kann es passieren, dass ein Gast der Anderswelt glaubt, nur wenige Tage im Land der ewigen Jugend zu verbringen, in Wirklichkeit aber ist er Wochen oder gar Monate, wenn nicht Jahre unterwegs, um dann in ein Diesseits zurückzukehren, das sich bis zur Unkenntlichkeit verändert hat.

Es gibt nicht nur Orte, an denen die Grenzen zwischen dieser und der Anderswelt fliessend ist, sondern auch bestimmte Zeitpunkte im Jahreslauf, zu denen sich die Pforten der Anderswelt öffnen. Ein solcher Tag ist der sogenannte Samhain, das am 1. November gefeiert wird. An diesem Tag können sich die Geister aus der Anderswelt mit den Lebenden vermischen und umgekehrt. Aus diesem Fest wurde über die Zeiten hinweg das heutige Halloween und aus den Wesen der Anderswelt, welche die Welt der Menschen besuchen, die unheimlichen Gespenster, die aus ihren Gräbern steigen. In der christlichen Tradition gilt der 1. November ebenfalls als ein Tag, an dem wir uns dem Gedenken an die von uns Gegangenen widmen und Friedhöfe besuchen: Allerheiligen.

Auch zu anderen keltischen Hochfesten erachtete man die Grenze zwischen Diesseits und Jenseits als besonders durchlässig. Dazu gehört neben dem eben angesprochenen Samhain vor allen Dingen das Beltaine-Fest in der Nacht auf den 1. Mai. Dieses besondere Datum hat sich als Walpurgisnacht bis in unsere Zeit erhalten. In dieser Nacht gehen die Wesen der Anderswelt um, in der dämonisierten Variante sind es die Hexen, die auf den Blocksberg fliegen, um Luzifer zu huldigen.

In den von der keltischen Mythologie inspirierten Artussagen taucht die Anderswelt ebenfalls wieder auf, und zwar als das sagenumwobene Avalon, die Insel der Apfelbäume.

Nach seinem Tod soll Arthur selbst auf diese Insel, die im Diesseits dem heiligen Hügel von Glastonbury, dem Glastonbury Tor, entspricht, entrückt worden sein.

Die sehr reichhaltige irische Mythologie zeigt in ihrer bis weit ins Mittelalter hinein lebendig gebliebenen Erzähltradition, die sich in der Kunst des Geschichtenerzählen in Irland bis in die heutige Zeit erhalten hat.

 

 

Die keltische Mythologie heute

Während die Götter in der Antike die meiste Zeit in fernen Gefilden residieren und von dort über das Schicksal der Welt entscheiden, aber sich nur selten für die Belange der Menschen interessieren, gleichen die überirdischen Wesen der keltischen Mythologie Irlands Menschen, die lediglich mit besonderen Kräften ausgestattet sind. Sie dienen weitaus deutlicher als Vorbilder für das diesseitige Leben und zeichnen in ihren heldenhaften Erfolgen wie auch in ihrem völligen Scheitern durchwegs das Leben des gewöhnlichen Menschen nach – wenn auch dramatisch überhöht und an manchen Stellen sogar des menschliche Leben eher karikierend.

Die Mythologie der irischen Kelten lebt von der Nähe zur Lebenswirklichkeit der Menschen, so dass die einstigen Götter auch heute noch ihren festen Platz in der Welt besitzen. Als Feen und Elfen bewohnen sie alte Kultstätten und Hügel und besitzen eine Realität, wie wir sie nur noch selten im europäischen Raum finden. Sie sind eben nicht nur ins Märchenhafte entrückte Fantasiegestalten, sondern werden weiterhin als lebendiger Teil der Welt wahrgenommen, selbst wenn ihre grosse Glanzzeit vorbei sein mag. Noch heute begegnen die Menschen in Irland, wenn auch nicht immer offensichtlich zur Schau getragen, den Wesen aus der Anderswelt mit grossem Respekt, und wo immer es möglich ist, wird ihr Lebensraum geschützt. So gilt es nach wie vor als grosser Frevel, einen Weissdornbusch zu fällen, denn er könnte die Wohnstätte von Elfen sein.

Die irischen Götter sind trotz Christianisierung nicht verschwunden. Sie führen ihr Dasein als „das gute Volk“ einfach weiter, als Nachbarn des Menschen. Der Glaube an die Sidhe, das Volk der Feen, das in den Grabhügeln der vorchristlichen Zeit lebt, ist noch heute in weiten Teilen Irlands sehr lebendig. Ihnen wird mit grossem Respekt begegnet und in vielen Märchen und Geschichten ist von der Begegnung der geheimnisvollen Anderswelt die Rede. Den Feen heilige Bäume und Pflanzen werden noch heute nicht angerührt, um das Gute Volk nicht zu verärgern.

Überhaupt hat der christliche Glaube viele Gestalten der keltischen Götterwelt aufgesogen, wie Brigid, die Göttin der Heilkunst, die in der Heiligen Brigida von Kildare weiterlebt, die ein Kloster genau an der Stelle gegründet hat, an der sich einst das Feuerheiligtum der gleichnamigen irischen Göttin befand.

So setzen einige Götter der Kelten in den christlichen Heiligen ihre Existenz fort, während andere in den Märchen der Geschichtenerzähler immer noch in lebendiger Erinnerung bleiben. Grosse Mythen entstanden aus der keltischen Tradition auch im Mittelalter, die in der abendländischen Kultur klingende Namen hinterlassen haben wie König Arthur, Tristan und Isolde und Parzifal. Viele der höfischen Geschichten, die sich um die Ritter auf der Suche nach dem Heiligen Gral ranken, zeigen deutliche Züge alter keltischer Mythen, manchmal so deutlich, dass sie von vielen als fester Teil der keltischen Mythologie betrachtet werden, obwohl sich in Arthur und seiner Tafelrunde mindestens ebenso viele angelsächsische wie germanische Anteile finden lassen. Doch das, was heute als das Keltische so viele Freunde findet, lebt von einem Grundgefühl, das diese Sagen und Legenden vermitteln. Wir sollten jedoch nicht vergessen, dass die Wurzeln für die von den mittelalterlichen Autoren nach dem höfischen Ideal geformten Geschichten viel weiter in die Vergangenheit reichen.

 

 

 

 

 

Creanna
Creanna
Ich - Creanna, praktizierende Hexe - habe mir eine Aufgabe gestellt zum Nutzen der Welt und zum Wohlgefallen der edlen Herzen. Jener Herzen, zu denen ich mich hingezogen fühle und jener Welt, in die mein Herz blickt.

2 Comments

  1. Johannes Kronenberger sagt:

    Liebe Creanna, ja es gibt diese Tore zur Anderswelt, in meinem Forstrevier im Hunsrück (ich bin weder Schamane noch Hexer) sondern ein inzwischen älterer aber tief naturverbundener Förster, gibt es solche Pforten, oder gar Bereiche die besonders im November durchlässig und von Bewohneren beider Welten begangen werden können – ich bin diesen Phänomenen schon seit Jahrzehnten auf der Spur, manchmal nur eine Handbreit oder einen Wimpernschlag nahegekommen, aber wahrscheinlich nicht zufällig ist mein Wald auch uraltes keltisches Siedlungsgebiet gewesen und über 80 Hügelgräber aus der Broncezeit sind über ein Band von 2×6 km darin verteilt. Auch ihre Erfahrungen mit Tierkommunikation kann ich nur bestätigen und ihnen auch aus meinen lebenslangen Erfahrungen versichern, daß alles in der Natur beseelt und und von steuerndem Geist (nennen sie es Naturgeister oder Elfen, Dryaden usw,usw,) erfüllt ist. Lieben Gruß und ein Dankeschön für ihre tiefgründigen Seiten.

  2. Ilona sagt:

    Liebe Creanna, ich bedanke mich von ganzen Herzen dass ich durch dich eine besonders spannende und aufregende Zeitreise in die Anderswelt, mit dem Keltischen Folk Kontakt erleben konnte. Ich liebe schon seit immer alles was mit Märchen, Sagen und Legenden verbunden ist und zusammen passt. Genau wie ich auch Vikinger liebe und dessen glauben und Traditionen. Bünde das alle und noch viel mehr von verschiedene Zeitgeschichtlichen und dessen Traditionen sehr faszinierend und aufregend. Für Welt der Feen finde ich zwar zum Träumen schön, aber nicht spannend genug für mich.
    Geschichten aus allen alte Zeiten, finde ich besonders faszinierend und aufregend, in der ich gerne dort eintauchen gehe: weil ich mich da ,, Zuhause fühle“, wie ein kleines aufmerksames Kind, obwohl ich schon lange keine mehr bin. So finde ich die Mythologie der irischen Kelten, die von der Nähe zur Lebenswirklichkeit der Menschen lebt : sehr gut! Liebe Grüße und danke dass es dich gibt, liebe Creanna!

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